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Chen Meiyong

- ein Experte der modernen Wudangstile

Auf meiner Suche nach möglichst guten Repräsentanten der Neijia-Künste in China half mir derzeit der Leiter der Wushu-Akademie der Provinz Zeijiang, Meister Chen Shun An, und empfahl mir Chen Mei Yong. Auf meine Frage, welche der Neijia-Künste dieser denn beherrsche lächelte Lehrer Chen Shun An und antwortete: "Such Dir eine aus!"

Ein Jahr später begann ich bei Meister Chen Meiyong Untericht zu nehmen und freue mich, ihn nunmehr auf dem Wushan als einen tatsächlichen Repräsentanten der modernen Wudang-Künste im Interview vorstellen zu können (Wudang hier im Sinne der neueren Klassifizierung der Neijia-Stile Taijiquan, Bagua und Xingyi als Wudang-Künste). Schon lange hatte ich mir gewünscht, möglichst einen Schülersschüler von Wang Xiangzhai persönlich treffen zu dürfen, vielleicht sogar von ihm zu lernen, doch ich wagte nicht daran zu glauben bis ich Lehrer Chen traf, der sich als ebensolcher entpuppte. Chen Mei Yong entspricht dem klassischen Bild eines chinesischen Meisterlehrers - er ist bescheiden, höflich, zurückhaltend und von eher unauffälliger schlanker Statur. Eine Ahnung seiner Fähigkeiten bekommt man u.a., wenn man beim Training seinen Körper berührt. Ich hatte es in meinen fast 30 Jahren Kampfkunsterfahrung schon mit einer ganzen Reihe Kampfkunstathleten zu tun aber selten habe ich solch eine starke und zugleich elastische Präsenz gespürt. Meine Schüler, die parallel zu mir an der Wushu-Akademie Changquan trainierten kommentierten ihn folgendermaßen: "Einen Wushu-Crack kannst Du aus dem dritten Stock aus dem Fenster werfen und er landet dennoch wohlbehalten auf der Straße. Der da (Chen Meio Yong) titscht kurz auf dem Boden auf und steht eine Sekunde später wieder grinsend vor Dir!" Es verwundert nicht wenn man seine Techniken sieht, wenn man erfährt wie er früher und heute trainiert. "Heutzutage trainiere ich kaum noch. Früher habe ich mehr trainiert." So äußert er sich. Von seiner Frau erfahre ich dass er täglich zwischen 3 und 4 Stunden morgens um 4.00 Uhr übt. Früher, so berichtet er später am Rande, sei er täglich in der san ti-Stellung einmal rund um den Qihu (Westsee) marschiert (Ich brauche mit dem Fahrrad 40 Minuten um den Westsee einmal zu umrunden!).

Bei einem Tässchen Lungjing-Tee sitzen wir an einem trainingsfreien Nachmittag mit meiner Übersetzerin, Frau Yang, am Ufer des Westsees und ich habe Gelegenheit Lehrer Chen zu interviewen.

P.S. Schwerdt: "Laoshi (chin.: Lehrer), würdest Du uns bitte etwas über Deine Geschichte in den Kampfkünsten erzählen?"

Chen Mei Yong:" Ich begann im Alter von 9 Jahren mit Shaolinquan unter Meister Huang Wenshu. In diesen Jahren wurde Li Shaonong auf mich aufmerksam, da ich sehr engagiert und intensiv trainierte und seiner Meinung nach Talent hatte. Li Shaonong nahm mich als direkten Schüler (tudi) an und von da ab widmete ich mich nur noch den neijia-Künsten."

P.S.S.:" In welcher Kunst unterrichtete Dich Meister Li?"

CMY:"Li Shaonong war einer der Hauptschüler des berühmten Wang Xiangzhai, h.d. ich lernte von ihm natürlich Xingyi, aber auch Baguazhang."

P.S.S.:"Und von wem lerntest Du noch?"

CMY:" Oh, ich hatte viele Lehrer in den letzten 40 Jahren (lächelt). Von Li Dejiu lernte ich Yang- und Sun-Taijiquan, von Li Tianji Wudang-Schwert und Taijiquan-Schwert, von Men Hueifeng Chen-Taijiquan und von Huang Wenshu, der Schüler des alten Shaolin-Abtes Liu Beicuan war, Shaolinquan."

P.S.S.:"Lebst Du vom Wushu-Unterricht?"

CMY:"Ja, ich habe einen Lehrauftrag an der Wushu-Akademie der Provinz Zeijiang, unterrichte seit den 70er Jahren, bin seit 85 staatlich anerkannter Wushu-Lehrer und Wettkampfschiedsrichter." (In Wettkämpfen belegte er selbst in der Vergangenheit zahlreiche nationale und internationale Preise, u.a. einen 1. Platz im Chen-Taijiquan, Sun-Taijiquan und Taijiquan-Schwert.)

P.S.S.:"Laoshi, Du bist ein Lehrer der Neijia-Stile. Das neigong ist ja zunächst eine "chinesische Pflanze" und selbst für Chinesen nicht leicht zu verstehen. Kannst Du Dir vorstellen dass auch Westler neijia richtig lernen können?"

CMY:"Ja, es gibt hier die Trennung zwischen den Wudang-Stilen und den Shaolin-Stilen. Erstere arbeiten viel mit neigong. Nicht nur Chinesen, alle Menschen haben qi, shen, yi und jing, somit können auch alle Menschen neijia lernen!"

P.S.S.:"Soviel ich weiss führte die Versportlichung des Wushu in China zu Entwicklungen, die den Künsten nicht nur förderlich waren. Zum Beispiel geht es offensichtlich im modernen Wushu und hier auch in den Wudang-Stilen eher um sportlich-akrobatische Beherrschung der Bewegung, Schönheit und Eleganz und diese Tendenz ging auf Kosten des Neigong. Sehe ich das richtig?"

CMY:"Ja, leider. Zumindest war dies eine Tendenz in der Vergangenheit. Da die Schwerpunkte verlagert wurden lehrten die meisten Lehrer nicht mehr ihre gesamte Kunst sondern oft nur ausschnittweise. In den letzten Jahren aber gibt es vermehrt Impulse die alten Traditionen wiederzubeleben und auch ich möchte dazu beitragen. Ohne Neigong ist jede Wudangkunst eine leere Kunst."

P.S.S.:"Erzählst Du uns etwas über deine Schüler?"

CMY:"Oh, das waren eine Menge. Im Moment habe ich 200, die eine zweijährige Ausbildung durchlaufen und eine deutsche Langnase (lacht herzlich), die mehr über neijia weiss als die meisten Chinesen! Ich habe auch schon einige Franzosen unterrichtet und Japaner. Ein junger japanischer Xingyi-Schüler von mir erlangte vor kurzem gleich drei erste Plätze in einem internationalen Wettstreit."

P.S.S.:"Nahm er lange zeit bei Dir Unterricht?"

CMY:"Was bedeutet lange? Wie auch immer, er lernte ein Jahr lang bei mir und trainierte täglich 6 Stunden."

P.S.S.: "Laoshi, herzlichen Dank für Deine Ausführungen! Hast Du Lust unserer Einladung zu folgen und auch in Deutschland neijia zu unterrichten?"

CMY: "(lächelt) Gerne. Unser Unterricht hat mich neugierig gemacht. Viele sind in den Jahren gekommen und sprachen davon dass sie lernen wollen. Aber nur wenige sind bereit entsprechend dafür zu arbeiten."