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Interview mit Mike Sigman

Der "Pengjin"-Experte im Gespräch

Anläßlich seines ersten Workshops in Aachen (1999) konnten wir Mike Sigman für ein kleines Interview gewinnen. Manchem mag Mike aus Workshops und aus der Neijia-Liste bekannt sein, anderen aber mag dieses Interview dazu dienen ein wenig mehr hinter diese geheimnisvollen Künste des neijia, ein wenig mehr hinter TAIJIQUAN; Bagua und Xingyi zu blicken.

Wushan: Mike, der Begriff "internal strength" (innere Kraft) wird häufig allerorten gebraucht. Wie würdest Du "innere Kraft" Deinem Verständnis nach definieren?

Mike S.: Der Hauptunterschied der Kraftart in den sogenannten "inneren Kampfkünsten" zu den "äußeren Kampfkünsten" ist der Gebrauch des Geistes, um die entspannte Kraft des Bodens zu leiten und zu nutzen, entsprechend ihrem Verlauf durch den Körper.

Der Gebrauch jeglicher Anspannung unterbricht die Reinheit dieser Kraft aus dem Boden.

Die Idee des "der Geist steuert das Qi" mag das Ganze etwas kompliziert klingen lassen, aber ein einfaches Beispiel kann Dir ein eine grobe Idee der allgemeinen Prinzipien vermitteln.

Sitze bequem auf einer Bank, sei relaxt, sitze aufrecht und fest. Laß jemand freundlich gegen (genauer: in) Deine rechte Schulter drücken (leicht abwärts) und versuche nun den Druck in die linke Sitzfläche/Pobacke zu "gründen" (ground). Dann laß Deinen Partner/ deine Partnerin den Druck wieder wegnehmen, wobei Du Dich aber überhaupt nicht bewegen solltest während er/sie herumgeht zur anderen Schulter. Du wirst entdecken das Du bereit sein kannst den Druck nun an der linken Schulter zu "gründen" ohne Dich dabei zu bewegen.

Natürlich sprechen wir heute eher von "Mikrokorrekturen der Muskeln" (Feinmotorik) doch in alten Zeiten betrachtete man die Fähigkeit, diese Art von Pfaden aufzubauen als gelänge dies allein durch den "Willen", die "Intention" - den Geist.

Es ist das Gütesiegel der "inneren Kraft", diese Art von "Intention" als Basis der Kraft sorgfältig manipulieren zu lernen

Wushan: Wie kommt es dass hunderte Taiji-Lehrer/innen von innerer Kraft, qi, jing etc. sprechen, jedoch lediglich ein theoretisches Verständnis dessen haben?.

Mike S.: (lächelnd) Im Gegenzug möchte ich da eher fragen warum diese Leute sich "Lehrer" nennen wenn sie nur theoretische Resultate vorweisen können oder aber muskuläre Resultate, die man mit Leichtigkeit mit Begriffen normaler Körpermechanik erklären könnte!

Wushan: Du hast einmal das Bild gebraucht dass chinesische Lehrer - gute Lehrer - Schritte 6,7 und 8 lehren - aber beispielsweise nicht 1,2 und 3. Warum gehen sie Deiner Meinung nach so vor?

Mike S.: Eines vorab: Wirkliches und klares Wissen über das Arbeiten des Taijiquan ist selbst in China nur schwer zu finden. Es muß Dir gezeigt werden wie Du es machen sollst und Du mußt es sehen, erkennen. Du mußt clever genug sein Dir einige Sachen selbst herauszuarbeiten. Stell Dir vor Du hast diese Fähigkeit, beherrschst diese Kunst und Du widmest Dein Leben dem Praktizieren und Lehren - warum solltest Du einfach eben mal so die Quelle Deines "täglichen Brotes" weggeben?

Wushan: Mike, Du hast bereits eine lange Wegstrecke innerhalb verschiedenster Kampfkünste zurückgelegt. Wenn Du nochmal von vorne anfangen könntest, mit welcher Kunst würdest Du beginnen aufgrund Deines jetzigen Wissens?

Mike S.: Ich würde Judo oder shuai-jiao (das chinesische Ringen, aus dem später Judo entstand) als erstes empfehlen. Die Grundfähigkeiten von Judo und shuai-jiao (von einem guten Lehrer unterrichtet) sind das Rüstzeug aller guten Kampfkünste.

Wushan: Taijiquan begann als Kampfkunst doch die meisten Menschen heutzutage üben Taiji zur Selbstkultivation und Gesundheitsvorsorge. Was hälst Du von diesen Tendenzen?

Mike S.: Nun ja, vor langer langer Zeit erklärten die Chinesen jene mysteriöse Energie mit dem Namen "qi" als die Basis allen Lebens und aller Bewegung. In der ersten Frage erzählte ich doch von diesen nichtmuskulären Pfaden die durch den geist errichtet werden... diese Art "Vorpfade" werden "qi" genannt. Dein Herz (Begehren) führt den Geist. Der Geist führt das qi. Das qi führt die Kraft. Alle Kraft ist aufgrund der o.g. Definition auf qi bezogen. (vergib mir für die Kürze und Vereinfachung). Die Chinesen beschrieben also dass alle Bewegung und Handlung innerhalb des Körpers "qi"-bezogen ist und solange das "qi" sich frei bewegen konnte war Deine Gesundheit gesichert.Die Pfade, von den ich eben sprach, aufzubauen beinhaltet, Dein "qi" frei fließen zu lassen, also ist es natürlich eine gesunde Praxis. Wenn Du also die Pfade des qi bewegst tust Du gleichzeitig was Gesundes aus der Sicht der Chinesen.Wandest Du einfach durch eine Taiji-Form ohne zu wissen wie Du Geist und qi manipulierst, dann hat Deine gewöhnliche Bewegung auch keine besondere gesundheitliche Wirkung.

Wenn mir also jemand erzählt er übe Taiji "nur für die Gesundheit" so sollte er dennoch fähig sein ebendiese Form als Teil innerer Kraft umzusetzen.

Wushan: Leute, die bei Dir in Workshops gelernt haben ist das Wort "pengjing" ein Begriff. Würdest Du bitte all jenen, die nicht in einem Deiner Workshops waren oder im Internet vernetzt sind mit Deinen Worten beschreiben, was "peng" ist?

Mike S.: Also, "pengjing" ist der "Pfad", den der Geist vom Boden durch die Mitte zu den Händen lenkt. Er geht nicht durch die Schulter. Du lernst also diese Kraqft zu manipulieren, dieses "jing" durch deine Bewegungen laufen zu lassen: Du kannst diese Kraft in vier Richtungen nutzen: aufwärts, abwärts, vom Körper fort und zum Körper hin.Der Gebrauch der Kraft aufwärts und vom Körper fort wird "pengjing" genannt, oder "Abwehr". Der Gebrauch dieser Kraft in Richtung des Körpers (allgemein) wird "lu" genannt. Der Gebrauch der gleichen Kraft direkt vom Körper fort ist "ji" und der der Kraft (gemeinsam mit der Schwerkraft) abwärts ist "an".

Ich bin hier sicher zu einfach in meiner Beschreibung. Ich mache es aber dennoch um weder zu verwirren noch langatmig zu werden.

Es gibt da ein unverkennbares Gefühl für diese Art Kraft so daß sie nicht wirklich vorgetäuscht werden kann. Dennoch aber kannst Du sie nicht sehen, weshalb sie die "verborgene Kraft" des Taijiquan genannt wird.

Wushan: Mike, Du hast ja nun jede Menge Taiji-Lehrer getroffen als die meisten unserer Leser jemals in ihrem ganzen Leben finden werden. Welche davon würdest Du als "gute Lehrer" bezeichnen?

Mike S.: Tja da gibt es ein paar wenige gute Lehrer die ich treffen durfte, doch es gibt da sicherlich noch einige denen ich bislang nicht begegnet bin. Für denn Wu-Stil würde ich Wang Peisheng empfehlen, Yang Zhenduo für den yang-Stil und Chen Xiaowang und Chen Zhenglei für den Chen-Stil. Es gibt andere - wie ich bereits sagte - doch der Knackpunkt ist jemand, der in der Taiji-Welt bewandert ist, zu finden. All zu viele "Lehrer" sind berühmt durch ihre eigene Werbung oder die Werbung ihrer Schüler, wenngleich ihre Fähigkeiten nicht gerade auf hohem Niveau sind.

Gutes Taiji ist schwer zu finden. Das meiste was wir finden können ist zu muskulär.

Wushan: Wann werden wir Dich wiedersehen in Deutschland, planst Du zukünftige Workshops?

Mike: Ich weiß noch nicht Paul, bislang habe ich mir noch keine Pläne gemacht aber ich denke in ein zwei Jahren werde ich wieder hier sein. Ich mag Deutschland. Vielleicht liegts mir im Blut (lächelt).

 Wushan: Danke für deine Ausführungen Mike.