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Schmerz haben - oder sein

Wir alle haben mehr oder minder oft mit dem Phänomen Schmerz zu tun und dieser mehr oder minder nahe Lebensbegleiter namens Schmerz drückt sich in verschiedenster Form aus, angefangen vielleicht von Kopfschmerzen bis hin zu dem Trennungschmerz einer Beziehung - eine sehr weite bandbreite also.
Ein weitverbreitetes Phänomen ist, dass wir ihn alle loswerden wollen - und das so schnell wie möglich. Dem ist auch nichts entgegen zu setzen, schließlich gibt es nettere Zustände als Schmerz, doch sind hier zwei Aspekte wichtig: Als was wir Schmerz wahrnehmen und wie wir damit umgehen.
schmerzDer Trend heutzutage ist, dass Schmerz (wie auch andere Zustände) lästig ist, nicht da sein soll und wenn er denn doch aufkommt, sollte man ihn am besten "abschalten" können, wie es die Werbung für Schmerzmittel auch verspricht. Doch was ist Schmerz eigentlich?
Sensorisch betrachtet ist es Teil unseres Warnsystems. Etwas ist über unser "Frühwarnsystem" Auge, Ohr, Geruch, Gespür etc. hinausgegangen und hat eine tiefere Schicht erreicht und die notwendige "laute" Alarmanlage ausgelöst, deren Durchsage nun lautet: Achtung, Achtung, alles andere sofort stehen lassen und bei der Leitstelle melden! Notfall! Ich wiederhole: Achtung, Achtung,...."

- Schmerz als sensorischer Prozess
Ist doch toll, solch eine Alarmanlage. Verrückt eher, dass wir uns darüber ärgern, wenn sie denn losgeht. Würden wir uns tatsächlich an unsere "Leitstelle", unser Bewusstsein, wenden so könnten auch adäquate Maßnahmen getroffen werden. In der Regel jedoch ärgern wir uns nur darüber, dass diese Anlage schon wieder angesprungen ist und suchen nach dem schnellstmöglichen Abschaltknopf.

- Schmerz als energetischer Prozess
Unsere Aufmerksamkeit, und damit Blut, yi und qi sammeln sich am "Tatort", Energien bündeln sich zentral an der entsprechenden Stelle um sofort mit der "Reparatur" zu starten und weiterhin alles andere hiervon abzuschotten (waiqi). Natürlich ist hier, dass es zu einer Blockade führt. Wenn auf einer Kreuzung ein Unfall stattfindet und Kranken- und Notarztwagen auf der Kreuzung stehen, Ärzte und Helfer (und Zuschauer) am Unfallort umtriebig sind ist auch erst mal Ende mit dem freifließenden Verkehr auf der Kreuzung.

- Schmerz als physisches und als psychisches Phänomen
Bislang habe ich das Thema von der physischen Ebene her betrachtet. Doch auch auf der psychischen Ebene empfinden wir Schmerz. Trennung ist ein bekanntes Phänomen, Abschied, aber auch z.B. Einsamkeit. Schmerz ist ein Ausdruck von Leiden.
Die essentielle Frage ist, wie wir mit dem Phänomen Schmerz umgehen. Eine verbreitete Falle ist hier die Trennung zwischen Identität und Schmerz. "Ich habe Schmerzen!" suggeriert mir und anderen, dass ich es gleich ablegen könnte, dass es nicht zu mir gehört, dass es etwas ist, was ich zwar im Augenblick habe aber nicht mit ihm verbunden bin, wie "Ich habe einen Hut. Ich habe einen Kugelschreiber!" Wir können sie aufsetzen, einstecken oder in den Schrank zurücklegen.
Tatsächlich aber ist der Schmerz ein Teil von uns, es ist unsere Alarmanlage, so wie wir auch eine Abfallbeseitigungsanlage, eine Kraftwerk, ein Belüftungssystem nicht nur haben, sondern all das SIND. Deshalb ist es wichtig, Schmerz als solchen Teil von uns anzunehmen und adäquat damit umzugehen.

Schmerz aus fernöstlicher Sicht

Schmerz, besser noch: Leiden an sich, hat seine größte Komponente in unserem Bedürfnis, etwas zu begehren was uns nicht erreichbar erscheint. Buddhas Vier Wahrheiten, kurz zusammengefasst, sind:
- Leben bedeutet auch Leiden
- Das Leiden hat eine Ursache
- Wenn das leiden eine Ursache hat, dann hat es auch ein Ende
- Wenn es ein Ende des Leids gibt, dann gibt es auch einen Weg heraus aus dem Leiden

Ich komme zurück auf meine oben beschriebenen einfachen Beispiele des Schmerzes:
Meine Kopfschmerzen haben zwei Komponenten: Die eine ist die Alarmwirkung meines Körpers, die andere, dass ich mich nach einem schmerzfreien Zustand sehne und darunter leide, dass es jetzt im Augenblick nicht so ist. In dieser Haltung verleugne ich das "hier und jetzt" und wünsche mich hinein in einen anderen Zustand.
Der Schmerz der Trennung, des Abschieds wird umso schlimmer, je mehr und öfter ich an dem Bild des Verbundenseins/Einsseins und den Erinnerungen festhalte. Ich mag die neue Erfahrung der Veränderung nicht annehmen und sehne mich vielmehr in einen anderen Zustand hinein.
In gewissem Sinne können wir Buddhismus als eine Form verstehen, sich von Freude und Leid der Welt/des Seins berühren zu lassen um diese Erfahrung zu transformieren. Wissenschaftlich terminiert eine auf das Leben bezogene Sekundär- und Tertiärprävention.
Der Daoismus geht noch eine Stufe weiter, indem er versucht, das Sein/Leben derart zu kultivieren, dass leidvolle Erfahrungen möglichst nicht durchlaufen werden. Somit eine Art Primärprävention. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt beispielsweise, dass derjenige, der krank wird, einen schlechten Arzt hat. Im traditionellen China war es Aufgabe des Arztes, dafür Sorge zu tragen, dass ein Patient nicht krank wird.
Daran können wir erkennen, wie weit wir uns heute weiterentwickelt haben. In unserer technisierten Welt glauben wir offenbar sämtliche Grenzen überschreiten zu können und wenn dann unsere Maschine (Körper und Geist) nicht mehr so recht mitmacht, dann muss der Mechaniker ran und halt ein paar Knöpfe drehen und herumschrauben, damit wir wie bisher weitermachen können. Oder sollten wir etwas verändern? Ui, das wäre allerdings eine Menge Arbeit.
Richtig, und hier beginnt die Kultivierung des Seins!